Montag, 9. September 2013

Bundestagswahl 2013

Vorwort

Als ich 2010 mal den "Political Compass" Test ausgefüllt habe, wurde mir eine linksliberale Einstellung attestiert. Nun habe ich mich in den vergangenen drei Jahren gewiss verändert, doch würde ich schon sagen, dass ich noch irgendwo in die Ecke passe (, aber eher liberal und nicht so links). Bei den wenigen Wahlen, an denen ich bisher teilnehmen durfte, war ich nie so gut informiert, wie bei dieser Wahl. Und noch nie fiel mir meine Entscheidung so schwer. Das höre ich (mehr oder weniger erfreulicherweise) von mehreren Menschen.
Typisch Niederrheiner - weiß nichts, kann aber alles erklären - möchte ich hier meinen Entscheidungsfindungsprozess erklärend zusammenfassen. Dieses Jahr gibt es irgendwie keinen richtigen Buhmann, zumindest bei den wählbaren Parteien. Doch wer zählt eigentlich dazu?

Man muss sich überlegen, was man will: Ideologie vs Praktikabilität - die FDP

Jeder erwachsene Mensch hat ja ein gewisses Werteverständnis und eine Auffassung davon, was ihm wichtig ist und wie er und andere sich idealerweise zu verhalten haben. Jeder weiß aber auch um die vermeintliche Unerreichbarkeit dieser Idealen. Genau so ist es bei den Parteien: auf der einen Seite hat man Ziele, die man erreichen möchte, auf der anderen die Realitätsabwegung, inwiefern das Erreichen dieser Ziele zu verwirklichen ist.
Als radikaler linksliberaler Terrorist - heil Freiheit! (spätestens jetzt habe ich auch Gauck auf meiner Seite) - müsste ich also eindeutig FDP wählen. Deren Programm klingt auch gar nicht so schlecht, Wahl-O-Mat unterstützt den Gedanken...erscheint simpel. Aber das Parteiprogramm schien auch schon vor 4 Jahren gar nicht so schlecht zu sein - was vielleicht daran lag, dass viele der nun formulierten Ziele gleich geblieben sind.
Was hat die FDP denn vorzuweisen? Streit mit der Koalition, gescheiterte Gesundheitsreform, Geschenke an einzelne Lobbys...miau. Wenn man sich also anguckt, was die Partei will bzw. öffentlich vorgibt zu wollen, und was sie erreicht, ist im Grunde alles gesagt. Stichwort Lobby - mein zentrales Problem mit der Partei ist, dass bei allen noch so löblichen Zielen die Personalien erschreckend sind...ich will nicht von korrupten, verlogenen Lobbyisten sprechen. Ein Blick auf Abgeordnetenwatch gibt den Liberalen endgültig den Todesstoß aufgrund mangelnder Glaubwürdigkeit. Sie fordern Transparenz bei Abgeordnetengehätlern, stimmen im Bundestag aber dagegen, werben für gleichgeschlechtliche Ehe, stimmen aber dagegen, befürworten auf Wahlplakaten die doppelte Staatsbürgerschaft, stimmen aber dagegen. Miau. Neulich nannte mal jemand die FDP nicht die Vorreiter, sondern die Verräter des Liberalismus. *insert Metallica song title here*

Man muss sich überlegen, was man will: Entscheidungshilfe

Anderes Stichwort, Wahl-O-Mat. Regelmäßig sind Leute überrascht, ja gar empört, was für ein Ergebnis der Wahl-O-Mat ihnen ausspuckt. Das kann entweder daran liegen, dass man sich über seine eigene politische Orientierung nicht bewusst ist, oder daran, dass man eine falsche Vorstellung von der politischen Orientierung einer Partei hatte, oder daran, dass man sich zu allen - auch einem unwichtigen - Thesen geäußert hat, ohne diese zu gewichten. Wenn für mich etwas egal bzw. nicht wahlrelevant ist, überspringe ich die These (und wähle nicht etwa neutral, denn das ist eine von drei möglichen Positionen). Selbiges gilt auch für Dinge, von denen ich einfach keine Ahnung habe. Das ist auch ein Problem, denn ich habe keine Ahnung von Wirtschaft oder Finanzpolitik - woher soll ich also wissen, ob ein Mindestlohn eine gute Idee ist?
Laut dem Wahl-O-Mat müsste ich übrigens die Freien Wähler oder die Rentner wählen. Die disqualifizieren sich bei mir durch Dummheit (Beispiel: die Rentner lehnen eine doppelte Staatsbürgerschaft ab mit der Begründung „Mehrfache Staatsangehörigkeiten bedeuten logischerweise Konflikte.” - sehr gut!). Dummheit nehme ich auch pauschal zum Anlass, mich nicht für eine andere der "kleinen" Parteien zu entscheiden - nebst einem fehlenden Gesamtkonzept. An dritter Stelle käme die FDP, über die ich ja jetzt nichts mehr schreiben muss.
Beim Wahl-O-Mat verläuft also vieles nach Schwerpunkten, deren Gewichtung und nach Ideologie. Deswegen schneiden glücklicherweise Parteien mit einem vollkommen anderem Werteverständnis bei mir sehr schlecht ab, so zum Beispiel die CDU, AfD und die NPD.
Ganz wichtig ist jedenfalls: den Kommentar jeder Partei zu der jeweiligen These lesen!

Man muss sich überlegen, was man will: Die Regierung

Letztendlich geht es bei der Wahl doch darum, wer uns in Zukunft regieren soll. Wessen Ziele finden wir besser und wem trauen wir eher zu, seine Ziele umzusetzen. Bei dem ganzen Einheitsbrei der Parteiprogramme dieses Jahr muss man sich das schon genau überlegen. The big battle, black-yellow vs red-green, in the tiger-corner, Angela "Angie" Merkel, in the stoplight-missing-one-color corner, Peer "Fettnäpfchen" Steinbrück. Programm und Personalie.
Den nicht zuletzt durch Christian Lindner liebevoll gewonnenen Kosenamen hat der gute Peer glücklicherweise wieder ein wenig ablegen können. In Sachen Öffentlichkeitsarbeit ist er jedenfalls kein Genie. Angela hat sich da weniger zu Lasten kommen lassen, aber das ist ja das schöne am Opportunismus. Ob man sich jetzt für denjenigen entscheidet, der sich auch mal nicht makellos zeigt oder für denjenigen, der abwartet und dann die Entscheidung trifft, die besser ankommt, ist denke ich Geschmacksfrage. Ich finde letzteres jedenfalls menschlich schwach, unauthentisch und unehrlich. Ich bin zusätzlich kein Freund von brutaler Machtpolitik - außer bei Putin, aber das ist Putin, und Putin lässt sich mit freiem Oberkörper fotografieren und ist verdammt cool! - wie man sie zum Beispiel bei der parteiinternen Debatte zur Frauenquote erlebt hat (arme Ursula ♥).
Kommen wir mal zu den Fragen unserer Zeit...da geht es ja vor Allem um Nachhaltigkeit, also eine gute Lösung zur noch immer nicht zu Ende gehen wollenden Finanzkrise, Wirtschaftspolitik, die Energiewende und verschiedene europäische und internationale Entscheidungen. Unser derzeitiger Finanzminister Schäuble (CDU) scheint seine Sache nicht schlecht zu machen. Sein Vorgänger konnte das allerdings auch ganz gut; das war Peer Steinbrück (SPD). Die Energiewende wollen alle, nur die Umsetzung ist diskutabel. Die Forderung der Grünen bezüglich Kohlekraft halte ich für sehr gewagt.
Es existieren noch viele interessante und wichtige Themen, aber hier ins Detail zu gehen, würde den Rahmen sprengen. Ich achte auf die innen- und außenpolitischen Tendenzen und entscheide mich für das realitätsnähere und zukunftsträchtigere Gesamtpaket. Bezüglich der vor der letzten Wahl formulierten Pläne und der Umsetzung selbiger (circa keine), sollte man einen Regierungswechsel zumindest mal kritisch überdenken.

Was machen eigentlich...die Grünen?

Ach ja, die vegetarischen umweltschützenden Weltverbesserer, auch genannt die neue Mitte...oder war das die CDU...oder doch die SPD...oder moment, war es nicht die FDP? Ach nein, das waren die Pädophilen! Etwas weniger erschreckend, aber auch nicht attraktiv, wirkt das Programm zum Thema Kultur. Generell erhoffte ich mir eigentlich Erholung, wo ich dann doch nur Gefasel fand. Sollte ich jetzt noch die Frage nach der Realitätsnähe stellen? Gebt das Hanf frei!

Was macht eigentlich...die Piratenpartei?

Ach ja, die kleinen Rabauken hätte ich fast vergessen. Eines (etwas verspätet) vorweg: so ein scheiß Name! Wie kann man sich denn - wenn man schon als Aufhängethema, das viele Kontroversen hervorruft, das Urheberrecht hat - nach Kriminellen benennen?! Ich gründe bald auch eine katholische Partei und nenne mich die Pädophilen!! Oh Moment, war das ein Vorwurf? Egal, die Idee haben ja die Grünen schon geklaut. Ich bin verwirrt. Damit scheine ich immerhin etwas mit den Piraten gemeinsam zu haben. Denn das, was die Partei anfangs den Wählern vorwarf, nämlich nicht zu wissen, was sie will, das scheint mittlerweile auch auf ihre Mitglieder zuzutreffen. Schade eigentlich. Vielleicht mal ein paar radikale CCC Leute durch Kompetenz austauschen.

Das Nichtwählen

Wenn alle Nichtwähler von 2009 "Stocks Partei für unbegrenzten Alkoholkonsum und freie Liebe" gewählt hätten, hätten wir auf einmal einen neuen Spitzenreiter (SPfuAfL 30%, CDU 24%, SPD 16%) gehabt. Stichwort Regierungsfähigkeit. Unbegrenzter Alkohol und freie Liebe? Es wäre das - im wahrsten Sinne des Wortes - fucking paradise auf Erden! Und die, die nicht wählen gehen, meinen, es ändere sich nichts?
Wenn ich zwischen zwei Chipssorten, die ich nicht mag, entscheiden muss, entscheide ich mich trotzdem für eine, wenn es sonst nichts gibt. Wenn es um die Zukunft unseres Landes geht, darf ein bisschen Hunger erlaubt sein.
Möchte irgendwer hier für die Linke oder NPD stimmen? Nein? Wer nicht wählen geht, stärkt diesen Parteien automatisch den Rücken. Natürlich nicht so sehr wie eine direkte Stimme für die Partei, aber mehr als wenn er eine andere wählte. Und wenn ich destruktiven Dummen etwas Macht wegnehmen kann, mache ich das gerne.
Wer partout niemandem seine Stimme geben möchte, der möge sich doch bitte wenigstens aufraffen und einen ungütligen Wahlzettel ( = Enthaltung ) abgeben. Das ist aus oben genannten Gründen zwar nicht wirklich sinnvoll, aber immerhin taucht man dann in der Wahlbeteiligung auf. In der Regel wird eine höhere Wahlbeteiligung allerdings als größere Zufriedenheit mit dem System interpretiert, was wohl das Gegenteil von dem wäre, was man ausdrücken wollen würde. Klingt kompliziert? Dann wählt doch einfach!

Nachwort

Wer ist also wählbar? Es scheint so, als wären das am ehesten die Partei der Nichtwähler oder die Partei. Eingängige Namen. Was wählbar ist, habe ich entschieden. Was ich wähle, weiß ich noch nicht. Ich glaube auch nicht, dass es darum gehen wird, wen ich wählen will, sondern eher darum, wen nicht. *insert same Metallica song title here*
Ein bisschen schade finde ich ja, dass die Parteien so sehr damit beschäftigt sind, sich an kurzfristigen Aufregungsthemen aufzuhängen, was dann auch noch durch die Medien massiv unterstützt wird, anstelle mal über wirklich wichtiges zu reden, wie zum Beispiel Visionen für die nächsten zehn bis 20 Jahre. Was ist eigentlich die Zukunft der Parteien? Was ist die Zukunft der Demokratie? Und was ist mit der Mündigkeit, für die wir doch so viel tun?

Vote #SPfuAfL !

1 Kommentar:

  1. Ich weiß nicht. Ich find's nicht schön mich zwischen Kacke und Scheiße, bzw. Lügen und Vorgaukeln entscheiden zu müssen.
    Solle es den Parteien nicht zeigen, dass sie ein neues Programm brauchen wenn alle Ihre Wahlzettel ungültig machen?

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