Dienstag, 26. Februar 2013

Das Fitnessstudio an sich

Prolog

Nachdem ich mühsam alle nötigen Utensilien - Sportschuhe, Unterwäsche, Shirt, Jogginghose, Sportshirt, Sporthose, Mitgliedskarte, Wasserflasche, Schloss für den Spint, Sporttasche, Handtücher, Kopfhörer *an dieser Stelle habe ich circa 30 Minuten pausiert, ADS lässt grüßen* - mühsamm zusammen gesucht habe, begebe ich mich auf den Weg zum nahegelegenen Fitnessstudio mit drei "s".
Dort angekommen checke ich ein, ziehe mich um und gehe in die heiligen Hallen des Schweißes, der Minderwertigkeitskomplexe und des Testosterons. Es ist wirklich nur eine Halle mit einer Vielzahl an mehr oder weniger systematisch angeordneten Geräten. Erstmal gemütlich auf den Stepper. Der steht an der Wand zum Raum mit den restlichen Geräten hin ausgerichtet, von da kann man am besten Menschen beobachten.

Log

Man hat einen guten Überblick über den gesamtem Raum. An der gegenüberliegenden Seite der Halle prangt ein riesiges Bild an der Wand mit drei Frauen, die gerade anscheinend höchsten Genuss an einer Zumba-Bewegung finden, bei der sie breitbeinig stehen und ihren Oberkörper  mitsamt Armen nach links bewegen. Links im Cardio-Bereich fahren ein paar Leute Rad oder sind auf dem Laufband. Es fasziniert mich ja immer wieder, wie lange die das auf den Teilen aushalten. Wäre mir viel zu monoton, auf der Stelle laufen, immer dieser Blick vom Laufwand aus der Glasscheibe auf den unbeleuchteten Parkplatz. Sogar wenn ich die wunderschöne Landschaft des Niederrheins um mich herum habe, langweile ich mich nach spätestens 30 Minuten (reoccuring theme ftw).
Auf einem der "Räder" sitzt ein stark übergewichtiges Mädchen. Sie tut einem ein bisschen Leid, weil man sich schon vorstellen kann, dass sie es im Alltag nicht leicht hat. Und dass sich das wohl auch nicht ändern wird, da sie ihr Essverhalten nicht umstellen und in zwei Wochen aus Disziplinmangel nicht mehr hier sein wird.
Ein dicker Kerl läuft vor dem Stepper vorbei, zielgerichtet aber doch sehr unsicher. Er tut einem ein bisschen Leid, weil sich einem seine Gedanken förmlich aufdrängen. So viel Angst und Unsicherheit, so ein schlechtes Selbstbild. Hübsch ist er nicht, aber vielleicht ein cooler Typ. Das scheint den Menschen allerdings egal zu sein. Gut, die beste Therapie gegen Ansgt, ist sich, ihr auszusetzen. Man kann seiner Gesundheit wegen nur hoffen, dass er bleibt.
Verschwitzt stehen weiter hinten, im Hantelbereich, schon die üblichen Verdächtigen. Es sind diese Leute, die man jedes mal, wenn man hier ist, sieht. Der schmächtige Kerl, der unbedingt Masse aufbauen will und das auf welche Weise auch immer bereits geschafft hat. Der breitgebaute Typ, der bestimmt nicht all sein Muskelvolumen ohne Hilfsmittel aufgebaut hat. Sie tun einem ein bisschen Leid, weil man merkt, wie hoch der Druck ist, der auf sie wirkt. Seien es eingebildete soziale Normen, Ansprüche an sich selber aufgrund von Minderwertgkeitsgefühlen oder sonst etwas.
Die Gruppe von Türken, die zwar zu fünft gekommen sind, aber immer nur einem von sich dabei zugucken, wie er sich an großen Gewichten versucht, steht mittendrin. Natürlich muss jeder in der Gruppe der härteste Pumper sein. Der Starke ist beliebt, der Schwache wird belächelt. Neben der Gruppe steht ein Angestellter des Fitnessstudios mit zwei "s". Er tut einem ein bisschen Leid, weil man die Krankhaftigkeit, mit der er seinen Körper stählert, ansieht. Er arbeitet dort, wo er seine vermeintliche Leidenschaft hat. Arbeiten im Trainingsraum oder trainieren om Trainingsraum. Ob das sein Horizont, seine Perspektive ist?
Ich stehe mittendrin. Ich möchte mich eigentlich nur etwas jenseits des Stuhls betätigen. Etwas weniger Fett, etwas mehr Muskeln, das hat noch keinem geschadet. Ich tue mir nicht Leid, weil ich ein undisziplinierter Hedonist bin, und sowieso nur so viel tun würde, wie es mir Spaß macht und guttut.

Epilog

Jetzt tue ich mir Leid. Ich habe vergessen, dass ich in 15 Minuten zum Kino verabredet bin. Schnell packe ich meine Sachen und gehe zurück in die Umkleide. Auf dem Weg quer durch die Halle, in der ich mich seit circa 2x 30 Minuten befinde, komme ich an den Laufbändern vorbei. Hier steht noch immer derselbe Typ, den ich auch schon vom Stepper aus beobachtet habe. Er läuft noch immer auf der Stelle, schweißgebadet, mit dem Rücken zur Halle, das Gesicht Richtung Glassscheibe, die den Blick auf den unbeleuchteten Parkplatz freigibt. Faszinierend.

Freitag, 22. Februar 2013

Radical Honesty

Durch Mo bin ich vor einiger Zeit auf das Konzept von "Radical Honesty" aufmerksam geworden. Er hat das vermutlich bei der Serie "Lie to Me" aufgeschnappt. Kurz und knapp besagt es: sage immer die Wahrheit! Geht das überhaupt?

Die einfache Antwort: ja! Aber es ist nicht immer ratsam, dieses Konzept anzuwenden. Wenn Hitler vor einem Juden steht und ihn fragt, ob er Jude ist, wäre es evolutionär gesehen nicht sinnvoll, die Wahrheit zu sagen. Den gelben Stern sollte er natürlich auch verstecken.
Eine andere Sache ist es bei Freunden oder generell Menschen, die unser Vertrauen genießen. Hier bin ich wirklich davon überzeugt, dass man immer ehrlich sein sollte. Das ist manchmal unangenehm - sonst würde niemand lügen. Und diese unangenehmen Dinge muss man auch gar nicht unbedingt aussprechen. Ungefragt kann man sie sowieso für sich behalten und wenn man gefragt wird, muss man eben entscheiden, ob man ehrlich sein oder schweigen sollte. Man will niemanden verletzen.
In jedem Fall finde ich es Freunden gegenüber unfair, zu lügen. Sie haben die Ehrlichkeit verdient, unter anderem als Zeichen von Vertrauen. Wenn mich also meine Schwester fragt, ob ich ihr Kleid mag, bekommt sie eine brutal ehrliche Antwort, ob es mir nun gefällt oder nicht. Diese Masche, nach einer Meinung zu fragen, aber eigentlich nur Komplimente hören zu wollen, um sich besser zu fühlen, auch, wenn sie gar nicht der tatsächlichen Meinung entsprechen, sollte man bei mir also vermeiden. Das weiß meine Schwester zum Glück.
Lügen haben kurze Beine. Und sind anstrengend. Den Aufwand, den so eine Lüge erfordert, möchte ich gar nicht betreiben. Man muss viel weniger aufpassen, was man sagt, wenn man sich ohnehin sicher sein kann, dass alle die Wahrheit kennen.
Ich mache das auch, weil ich von anderen erwarte, dass sie mich genauso behandeln. Wenn ich eine Frage stelle, möchte ich eine ehrliche Antwort bekommen. Natürlich ist da nicht immer nur Positives zu holen, aber wenn ich höre, dass jemandem etwas nicht gefällt, kann ich zumindest reflektieren und entscheiden, ob ich etwas ändere. Ich gehe dann mal einkaufen, radikal ehrlich gegenüber den Leuten, die es vertragen und verdienen!

Sonntag, 17. Februar 2013

Der vorgezogene Sonntag

Es ist einer dieser Samstage, der sich schon wie ein Sonntag anfühlt, ohne, dass es dafür einen konkreten Grund gäbe. Vermutlich liegt das an der allgemeinen Ruhe, die dieses Wochenende auszeichnet. Keine wilden Partys, keine alkoholischen Exzesse. Gemütliches Beisammensein, reden, in Jogginghose und Bademantel vor dem Computer sitzen und neben ein paar halbherzig ausgeführten sinnvollen Tätigkeiten einfach entspannen und schauen, was der Tag so bringt. Ein gemütlicher Sonntag schon am Samstag.
Und was darf da nicht fehlen? Richtig, Kaffee und ein guter Freund. Ich bewaffne mich also mit von meiner Mutter frisch gebackenen Brownies und einem Berry Crumble (Beeren-Rhababer-Streuselkuchen) von Schomaker, einer lokalen Bio-Bäckerei, die interessanterweise sogar eine Filiale in Japan hat. Schon interessant, dass so ein kleiner Laden so weit expandiert. Passt ja gut in die gesunde Ernährung der Japaner. Die Asiaten wissen ein gutes Dinkel Mehrkornbrot eben zu schätzen, genau wie die Ruhe.  Generell eine interessante Kultur. Anderes Thema.
Jacke und Mütze an, Handschuhe mit sehnsüchtigen Gedanken an den Frühling liegen lassen. Nach kurzer Radfahrt durch die Felder, auf denen der Schnee langsam taut und man schon wieder ein paar braune und dunkelgrüne Flecken erkennen kann, komme ich bei Leif an. Die Handschuhe braucht man wirklich nicht mehr. Aber kalt ist die Hand auf Leifs Nacken seiner akustischen Reaktion nach zu urteilen wohl trotzdem.
Man sitzt so mit Kaffee am Tisch und erzählt über die wichtigen und unwichtigen Themen des Lebens. Im Hintergrund läuft für das Ohr gerade noch wahrnehmbar irgendwas klassisches, vermutlich Bach oder Schubert (random guess). Hinter mir befindet sich die Schiebetür mit dem großen Fenster, das den Blick auf den kleinen aber lieblichen Garten ermöglicht. Links ist die moderne Küche mit Counter in der Mitte, Induktionsherd und Kaffeevollautomaten. Rechts sitzt Leif. Danach kommt das etwas altmodisch eingerichtete Wohnzimmer. Drei Sofas stehen dort im Viereck mit einer fehlenden Seite angeordnet neben der Musikanlage. Vor ihnen steht ein viereckiger Glastisch, dem glücklicherweise keine Seite fehlt. An der Wand fällt direkt die alte Uhr auf, oder besser gesagt, ihr überdimensional wirkendes Pendel. Das Ticken hat merkwürdigerweise eine entspannende Wirkung. Einzig das laute Knarren und Ertönen von Glockenschlägen zur vollen Stunde vermag mich kurz aus dieser ruhigen Akustikatmosphere herauszureißen. Eine kurze Erinnerung, dass es noch eine Welt gibt, die sich dreht, die man aber getrost schnell wieder vergessen kann. Ich denke an Zukunft, an Neugier, an Vorfreude, an Liebe. Denken und über das Gedachte reden, das geht so ein bis zwei Stunden, gäbe es die sich drehende Welt nicht, könnten bestimmt noch ein bis zwei weitere hinzukommen. Aber man will es mit der Ruhe und Entspannung ja nicht übertreiben.
Leif verabschiedet mich mit einer Buchempfehlung für eine lange, mir bevorstehende Zugfahrt: ein Werk des Autors Haruki Murakami aus Japan. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die dort generell eine sehr interessante Kultur haben, gesund leben und die Ruhe zu schätzen wissen.